Hinterm Horizont gehts weiter

In der vergangenen Woche bin ich aus der Provinz Ontario weiter durch Manitoba und nach Saskatchewan gefahren. Die Landschaft änderte sich dabei schlagartig. In Manitoba endeten die Wälder entlang der Straße plötzlich und ich bin in den Weiten der Prairie angekommen. Die Straßen gehen hier sehr oft geradeaus und mir kommt des Öfteren das Lied von Udo Lindenberg “Hinterm Horizont gehts weiter” in den Sinn.

Nach den Straßen entlang der Großen Seen habe ich in dieser Woche das Wasser weniger gesehen. Dafür in Form von Regen hin und wieder von oben gespürt. Glücklicherweise habe ich auch diese Woche wieder einige liebe und gastfreundliche Menschen kennen gelernt, welche mich bei sich aufgenommen haben. Und so habe ich das Zelt eigentlich nur einmal, am Sonntagabend, aufgeschlagen. Direkt neben der Curling Halle in Upsala. Diese wird im Sommer natürlich nicht genutzt, die laute Lüftungsanlage läuft aber trotzdem weiter.

Winnipeg

Als ich am letzten Samstag den Beitrag für den Blog, wie so oft in einem Tim Hortons Café, geschrieben habe, kam ich draußen auf dem Parkplatz mit einem Pärchen auf einer Harley ins Gespräch. Es stellte sich heraus, das Lauras Familie aus Deutschland stammt und kurzerhand gab sie mir ihre Adresse in Winnipeg. Sie selbst und ihr Mann sind zwar nicht da, aber ihre Tochter würde mich ins Haus lassen. Als ich dort am Montagabend ankam wusste Rachel nichts davon, ließ mich aber dennoch ins Haus und telefonierte dann mit ihrer Mum.

Zusammen mit ihrer Schwester sind wir dann in den Park “The Forks” gefahren. An dieser Stelle fließen die beiden Flüsse Assiniboine und Red River zusammen. Die beiden erzählen mir, das Winnipeg im Jahr 1997 ein sehr großes Hochwasser hatte und die ganze Stadt mehrere Meter unter Wasser stand. Doch seitdem man für den Red River eine Umleitung und ein Hochwasserschutzsystem gebaut hat, ist die Stadt besser geschützt. Außerdem ist Winnipeg mit Temperaturen von bis zu -40°C im Winter eine der kältesten Städte der Welt. Wie gut, das ich im Sommer hier bin.

Regen am Horizont

Am Dienstag wollte ich so weit es geht fahren und anschließend mein Zelt in einem kleinen Park aufschlagen. Das mit dem Fahren ist mir auch sehr gut gelungen. Immerhin habe ich über 720km an dem Tag geschafft. Nur das Zelten wurde mir vom Regen vermasselt. Bereits auf den letzten Kilometern sah ich am Horizont immer mehr dunkle Wolken aufziehen. Und etwa 10km bevor ich den kleinen Park erreicht hatte, begann es richtig zu regnen. Ich suchte im nächsten Dorf nach einem Unterstand und fand ein kleines Postbüro mit einem Vordach. Als ich dort wartete, bis der Regen aufhört und mir etwas zum Abendessen machen wollte, hielt ein Auto neben Jolly an.

Aus dem Wagen stieg Liz und fragte mich ob ich im Regen gestrandet wäre. Ich erzählte ihr von meiner Reise und meinem Plan mit dem Zelten und sie lud mich zu sich nach Hause ein. Genauer gesagt, ist es das Haus ihrer Schwiegermutter Etna zu welchem sie mich führte. Doch Liz und ihr Mann leben seit etwa 18 Monaten dort, nachdem ihr eigenes Haus abgebrannt ist. Das neue Haus wird noch gebaut. Und so verbrachten wir einen sehr unterhaltsamen Abend, ich bekam ein gutes Abendessen und einen warmen Tee. Am nächsten Morgen ging es weiter und Etna, die mit ihren 90 Jahren noch immer sehr fit und fröhlich ist, drückte mir zum Abschied noch 20 Dollar in die Hand. Ich war sprachlos und wollte das Geld natürlich nicht annehmen. Doch Etna ließ dies, wie eine echte Oma eben, nicht zu.

Am Abend vorher hatte ich noch überlegt notfalls im Vorraum des Postbüros zu schlafen um das Zelt nicht im Regen aufzubauen. Und dann verbrachte ich die Nacht im Haus dieser liebenswerten Familie. Tja, “Hinterm Horizont gehts weiter”, auch wenn dieser voller dunkler Wolken ist. Und ich bin einfach sehr dankbar für diese Momente und Begegnungen.

Entscheidungen und ihre Konsequenzen

Da mein Weg nach Prince Albert in Saskatchewan am Mittwoch nur knapp über 300km lang war, hatte ich genug Zeit. Und da das Wetter besser aussah, sollte es eine entspannte Fahrt auf den fast immer schnurgeraden Landstraße werden. Doch irgendwann wurde mir das zu langweilig. Von der asphaltierten Strecke gingen zu beiden Seiten immer wieder Schotterpisten weg und ich beschloss bei der nächsten einfach abzubiegen und ein bisschen die Gegen zu erkunden. Wie sich herausstellte war dies eine fatale Entscheidung. Denn von der Schotterpiste ging es kurz darauf auf einen Feldweg. Anfänglich war dieser noch gut zu befahren, bis ein Schild “Low Level Crossing” am Rand auftauchte und der Weg vor mir im Wasser verschwand. Beim Versuch Jolly Blue zu stoppen, geriet alles ins Rutschen. Einen Wimpernschlag später lagen wir beide im Schlamm.

Das Aufheben wurde durch den rutschigen Schlamm sehr beschwerlich. Ich nahm einen Großteil des Gepäcks ab und schaffte es die KTM wieder auf die Räder zu stellen. Mit ständig ausbrechendem Hinterrad brachte ich mein Motorrad halb schiebend, halb mit schleifender Kupplung fahrend, wieder auf die Schotterpiste. Nur mein Gepäck lag jetzt noch etwa 500m entfernt am Rande des Feldweges. Tragen, Ziehen und immer wieder Pausen machen. So sah die nächste Stunde meiner Reise aus. Am Ende kam mir der Fahrer eines Pickup Truck zu Hilfe, der mein Winken gesehen hatte. Aber trotzdem war ich völlig KO und genau wie Jolly Blue ordentlich mit Schlamm beschmiert. Bei jedem Umsehen dachte ich das Ende des Feldweges erreicht zu haben, doch: “Hinterm Horizont gehts weiter” … leider.

Pause in Prince Albert

Nach dem Sturz am Mittwoch erreichte ich Prince Albert am frühen Abend. Hier hatte ich schon im Vorfeld eine Unterkunft ausgemacht. Und so erwarten mich Prudence und Wylie schon mit einem reichhaltigem Abendessen in ihrem Haus. Wylie ist der Schwager von Peter aus Neufundland und ich habe ihn und seine Frau bei meinem Besuch dort kennengelernt.

Die Wettervorhersage für die nächsten Tage war allerdings nicht besonders gut. Für den Donnerstag wurden Gewitter und sogar Tornados vorhergesagt. Diese kamen dann auch am Abend. Doch vorher half ich Wylie noch beim Abriss seiner alten Terrasse. Nach fast 7 Wochen Motorradfahen war die körperliche Arbeit tatsächlich eine nette Abwechslung. Leider ist mir das letzte Brett von der Wand auf den Fuss gefallen und einer der Nägel hat meinen kleinen Zeh an der Seite durchbohrt. Das klingt schlimmer als es tatsächlich ist. Am Freitag war der Zeh natürlich etwas geschwollen, aber die Wunde sieht gut aus und wird hoffentlich schnell verheilen.

Da es auch am Freitag noch viel regnete, blieb ich noch eine weitere Nacht bei Wylie und Prudence. Es war der 75. Geburtstag von Prudences Mum und daher kamen noch alle ihre Kinder zur Feier ins Haus. Für mich ging es dann am Samstagmorgen weiter mit der Reise. Die grobe Richtung ist immer noch Nord-West nach Alaska. Von der Grenze trennen mich “nur” noch etwa 3.500km.

5 Gedanken zu „Hinterm Horizont gehts weiter“

  1. Wie immer sehr interessanter Bericht
    Deine handwerklichen Fähigkeiten kannst du ja noch verbessern
    Dann warte ich noch mit den Terrassenbau bist du wieder zu Hause bist
    Pflaster habe ich bis dahin auch im Haus
    Sei lieb gegrüßt und weiterhin viel Glück und Spaß auf deiner Reise sowie eine schützende Hand über Dich

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  2. Hey Georg,
    solche lehrreiche Erlebnisse (dein Sandweg) sind das Salz in der Reisesuppe. Das brennt sich ein und wirst du nicht vergessen.
    Kennst du eigentlich Couch Surfing? Ein Freund von mir ist über die Plattform letztes Jahr für drei Wochen im Iran unterwegs. Muss gut geklappt haben, wenn ich seinen Reisebericht so im Kopf habe. Weiß nicht, ob das in allen Ländern so populär ist. Er hat sich dann quasi Auszeiten genommen und doch im Hotel geschlafen, weil es irgendwann zu viel war immer bei neuen Leuten mit ihren privaten Geschichten zu sein. Da kam u.a. schon manchmal das Sight seeing zu kurz und auch der Kopf brauchte mal eine Pause.

    Ich hatte noch nie darüber nachgedacht, dass bei so einer Weltreise die muskuläre Belastung total einseitig ist. Das ist ja fast wie bei Kosmonauten. Du solltest unbedingt von Zeit zu Zeit so einen Arbeitseinsatz einbauen. Sonst musst du ins gym!

    Bleib gesund und munter!

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    • Danke Hagen! Ja, Couchsurfing kenne ich und habe ich auch schon versucht zu nutzen. Problem dabei ist nur, dass man ein paar Tage vorher wissen sollte, wo genau man wann ist. Bei den meisten Gastgebern kam meine Anfrage einen Tag vorher oder am selben Tag bislang immer zu kurzfristig an 😉
      Was auch irgendwie verständlich ist, aber eben nur schwer zu meinem derzeitigen Reisestil passt.

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  3. Hi Georg,

    wir sind vom 7.8 bis 20.8 in Vancouver und Umgebung unterwegs….falls Du lange weile hast komm auf ein Bier vorbei…:-)))
    LG Alex ( dein EX Kollege bei Schuberth)

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