Eine Woche voller Überraschungen

Bald geht es für sehr lange Zeit in Richtung Sonnenuntergang. Denn den Osten Kanadas habe ich bald abgeschlossen. Ich bin aktuell in St. John’s auf Neufundland und werde im Norden der Insel mit der Fähre nach Labrador übersetzen. Damit habe ich dann die Atlantischen Provinzen, Neu Braunschweig, Prinz Edward Insel, Neu Schottland und Neufundland und Labrador durchfahren. Ohne Labrador sind es bereits fast 6.500 Kilometer. Unglaublich wie groß dieses Land ist. Ich bin anfänglich für diese Runde von etwa 4.000km ausgegangen. Wie man sich doch verschätzen kann. Generell gefällt mir Kanada bislang unglaublich gut. Ein wunderschönes und sehr abwechslungsreiches Land.

Eine neue Provinz – eine neue Welt

Mit dem Wechseln zwischen den einzelnen Provinzen, scheint man hier in Kanada auch immer wieder in eine neue Welt zu reisen. Das habe ich jedenfalls so wahrgenommen. Beim Wechsel von Quebec zu Neu Braunschweig, ist mir vor allem aufgefallen, dass meine geliebten Rastplätze “Halte Municipal” nicht mehr auftauchen. Aber auch die Landschaft hat sich geändert. Das lag sicher auch an meiner Route durch die Appalachen. Von Neu Braunschweig zu Prinz Edward Insel wurde für mich gefühlt die Landschaft eintöniger. Irgendwie hat mich diese Provinz auf der Insel nicht so sehr beeindruckt. Aber ich bin auch nicht wirklich an den Stränden gewesen, von denen alle erzählen. Ich mache ja eine Motorradtour und keinen Badeurlaub 😉

In Neu Schottland merkt man hingegen sofort, dass diese Provinz den Namen völlig zu Recht hat. Die Landschaft erinnert sehr stark an Schottland. Ich war zwar noch nie dort, aber irgendwie stelle ich es mir genauso vor. Grün bewachsene Hügel und viele schöne Straße dich sich darüber hinweg und zwischendurch schlängeln. Mein erstes Ziel in Neu Schottland waren die Joggins Fossil Cliffs eine Weltkulturerbestätte, weil hier mit die ältesten Fossilien gefunden wurden. Dabei geht es weniger um die großen imposanten Funde, wie ganze Dinosaurier, sondern viel ältere welche die Existenz von Pflanzen und kleinsten Lebewesen belegen. Die verschiedenen Gesteinsschichten sind ebenfalls sehr beeindruckend und zeigen wie sich die Landschaft hier im Laufe von Millionen von Jahren verändert hat.

Ein weiteres Weltkulturerbe habe ich mit der Landschaft von Pre Gaspe besucht. Diese wurde von den Nachkommen der französischen Siedler, den Acadians, im 17. Jahrhundert geschaffen. Durch die Bildung von Deichen und eines ausgeklügeltem Bewässerungssystems haben sie das Land trocken gelegt und fruchtbaren Boden geschaffen. Den Begriff Polder habe ich zumindest im Geographieunterricht vor vielen Jahren schon einmal gehört. Und genau das ist es, was die UNESCO hier ausgezeichnet hat: die Anpassung der ersten Siedler und deren Nachfahren an die widrigen Bedingungen in ihrer neuen Heimat.

Eine glückliche Begegnung – Überraschung Nr. 1

In Neu Schottland ging es dann weiter zu einem Ort mit dem Namen Whale Cove. Und ich hatte gehofft dort ein paar Wale von der Küste aus zu beobachten. Statt dessen kam es alles etwas anders und ich hatte für die Nacht vom Montag zum Dienstag meine beste Unterkunft bisher. In der Stadt Digby auf den Fahrer einer KTM 950 Adventure, also dem Vorgängermodell meines Motorrads. Wir unterhielten uns kurz über die üblichen Themen: Woher, Wohin und Wie lange. Dann fuhren wir beide getrennt weiter. Als ich in der Whale Cove angekommen war und ein paar Fotos gemacht hatte, hörte ich vom Berg her eine vertrautes Motorengeräusch und nur wenige Augenblicke später rollte Jeremy den Hang zum Hafen hinunter. Wir unterhielten uns erneut und er lud mich zu sich ein um dort zu übernachten. Die gemeinsame Fahrt zurück nach Digby und weiter zum Nationalpark Kejimkujik war einfach fantastisch.

Jeremy hatte mir unterwegs schon beim Stop bei der Festung in Anapolis erzählt, dass er beruflich in der Gegend ist. Er arbeitet für eine Firma, welche Mountainbike Trails baut, und ist daher gerade im nahe gelegenen Nationalpark. Ihre Unterkunft besteht aus zwei großen Anhängern, welche jeweils 5 Einzelkabinen enthalten. Jede davon hat ein eigenes Bad und ein großes gemütliches Bett. Und ich Glückspilz durfte eine davon haben. Den Abend ließen wir bei etwas Bier und den Resten vom Abendessen der Kollegen ausklingen und erzählten uns Geschichten von den vergangenen Reisen. Jeremy hat mich dabei auf eine ganz neue Idee gebracht, bei der ich aber noch prüfen muss, ob ich es realisieren kann.

Auf zu neuen Ufern – Überraschung Nr. 2

Meine weitere Fahrt in Neu Schottland führte mich über den legendären Cabot Trail bis zur nördlichsten Gemeinde Namens Meat Cove. Hier verbrachte ich nach einem wunderschönen Fahrtag die Nacht im Zelt direkt an der Küste. Da konnte der Platz unter mir auch noch so steinig sein, es war einfach mega schön. Die Provinz verlasse ich dieses Mal auf dem Seeweg. Die Fähre nach Neufundland habe ich am Donnerstag gebucht und auch neue Reifen habe ich mir bestellt. Diese kommen hoffentlich am Montag in St. John’s an und können dort beim Händler montiert werden. Zuvor habe ich mir hier in der Gegend noch das National Historische Denkmal für Guglielmo Marconi angesehen und war irgendwie enttäuscht. Das Gebäude ist winzig, nicht gepflegt und auch noch geschlossen. Ein Zettel an der Tür sagt, dass man ab 1. Juli wieder geöffnet hat. Wenn man bedenkt, was dieser Mann geleistet hat und welchen Einfluss seine Entwicklung der drahtlosen Übertragung von Nachrichten über den Atlantik auf unsere heutige Kommunikation hatte, hätte ich hier mehr erwartet. Aber vielleicht gibt es ja irgendwo anders noch ein größere Museum oder Ähnliches.

Auf der Fähre lernte ich ein paar der anderen Motorradfahrer kennen. Mit Paul aus Wisconsin habe ich mich etwas länger unterhalten. Er macht eine Reise bei welcher er in 50 Tagen alle Hauptstädte der US Bundesstaaten, der Kanadischen Provinzen und die Hauptstädte Kanadas und der USA besuchen will. Das sind in Summe 62. Aktuell ist er bei Tag 10 und St. John’s auf Neufundland ist Hauptstadt Nummer 18.

Da vom Fährhafen in Port aux Basques durch Neufundland eigentlich nur eine Straße wirklich nach St. John’s führt, der Trans Canadian Highway 1, sind wir Motorradfahrer teils als kleine Gruppe weitergefahren. Neufundland begrüßte uns mit Regen, Wind und Temperaturen um die 8-10 Grad Celsius. Bei einem der Tankstops fragte mich Paul, bis wohin ich fahren würde. Bei dem Wetter hatte ich keine Lust auf Camping und man hatte mir gesagt, dass in St. John’s das Wetter besser sei. Ich meinte also, dass ich probiere so weit wie möglich zu kommen und das auch eine Direktfahrt bis in die Hauptstadt möglich wäre. Da wir morgens um 6:30 Uhr von der Fähre gefahren sind, waren die 890km bis in den Süden tatsächlich machbar.

Und so kam es, das Paul und ich gemeinsam den Highway Nr. 1 bis nach St. John’s komplett an einem Tag gefahren sind. Als Belohnung für die über 900km lange Fahrt und auch weil das Wetter immer noch nicht zum Zelten einlud, teilten wir uns ein Hotelzimmer und gingen im Restaurant essen. Für Paul ist das die normale Art zu reisen. Für mich lag der Tag mit seinen 4 Tankstops und dem Hotel deutlich über meinem Budget. Aber man muss sich auch mal etwas gönnen.

Neue Reifen – Überraschung Nr. 3

Eine weitere Überraschung gab es noch bezüglich meiner neuen Reifen. Diese wurden tatsächlich schon am Freitag geliefert und ich fuhr somit am Samstag direkt zum Händler um diese dort montieren zu lassen. Innerlich stellte ich mich schon auf Diskussionen ein und überlegte, welche Argumente ich aufbringen könnte, um den Händler zu überzeugen meine Reifen sofort zu montieren. Und als ich am Tresen stand und man den Mechaniker aus der Werkstatt rief, dachte ich schon, dass es nicht so einfach wird.

Aber es kam alles viel besser als erwartet. Der Mechaniker, Peter, fragte mich direkt nach der Vorstellung, ob ich aus Deutschland wäre. Er selbst kommt ursprünglich aus Ludwigsfelde, wo er eine MZ Werkstatt hatte. Sein Vater Werner Musiol war Werksfahrer bei MZ und hat den Laden aufgebaut. Nachdem MZ leider nicht mehr weiter existierte und Peter seine neue Liebe in Kanada kennen gelernt hat, ist er hierher ausgewandert. Und seitdem lebt und schraubt er eben hier glücklich an allen verschiedenen Fahrzeugen. Denn in Kanada sind eher die Jet-Ski, Schneemobile und kleinen Geländefahrzeuge beliebt. Wobei klein nicht als langsam anzusehen ist. Die meisten der Fahrzeuge haben weit mehr als 100PS. Beliebt sind auch die Can-Am Spyder und so langsam kommen auch die Straßenmotorräder dazu.

Peter erzählte mir einiges über die Zeiten bei MZ und über das Leben hier in Kanada. Und so waren schnell 4 Stunden in der Werkstatt rum. Am Ende hatte ich neue Reifen montiert und noch etwas Pizza zum Mittag spendiert bekommen. Leider hatte ich damit auch den Abschnitt des Tages mit dem besten Wetter verpasst. Da ich am Morgen bei meinem Besuch am Cape Spear, dem östlichsten Punkt Nordamerikas, alles nur im Nebel gesehen habe, wollte ich es nach dem Reifenwechsel noch einmal probieren. Doch auch dieses Mal hatte ich kein Glück. Normalerweise ist dieser Punkt nicht nur für seine geographische Lage bekannt, sondern auch für die vorbeiziehenden Eisberge und die Möglichkeit Wale zu beobachten.

Von den Eisbergen habe ich nur einen kleinen im Nebel gesehen, aber auch das war ein besonderer Moment. Und die Nähe zu Europa, wenn man 3.584km bis Portugal als nah bezeichnen kann, ließ doch kurz das Heimweh aufkommen. Auf dem Weg zurück nach St. John’s kam ich erneut in ein Regengebiet und stoppte in einer Nebenstraße um die Regenkombi an zu ziehen. Als ich gerade weiter fahren wollte, hielt neben mir ein Pickup und der Fahrer fragte, ob ich ein Problem hätte und Hilfe brauche. Am Ende des kurzen Gesprächs bot er mir den in seiner Einfahrt stehenden Wohnwagen als Unterkunft an. Er selbst und sein Sohn sind zwar nicht da, aber ich kann jederzeit kommen und sollte nur die Tür schließen, wenn ich wieder gehe.

Und so sitze ich nun im Camper, wie man hier die für deutsche Verhältnisse extrem großen Wohnwagen nennt, und hoffe das der Sturm bis zum Sonntagmorgen wieder abgezogen ist und ich bei besserem Wetter noch etwas von der wunderschönen Landschaft Neufundlands sehen kann. Die ersten Eindrücke erinnerten mich stark an den Norden Norwegens. Und das Wetter passt leider auch dazu.

2 Gedanken zu „Eine Woche voller Überraschungen“

  1. Hallo Georg,
    Sehr schön zu lesen, dein Blog 😁👌
    Wie geht’s weiter, Alaska ist groß. …
    Kennst du jemanden?
    Was ist das Ziel, ich möchte mich vorbereiten ☺
    Wirst du auch nach Gold suchen 😯?
    Ich wünsche dir alles Gute für deine geile Reise
    Viel Spaß
    Michl

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