Wunder gibt es immer wieder

Eine Woche voller Veränderungen liegt hinter mir. Mit dem Abschluss des Trans Labrador Highways bin ich wieder zurück in die Zivilisation gefahren. Dies wurde an der Art der Übernachtungsplätze am deutlichsten. Und auch emotional habe ich diese Woche einiges erlebt. Vor meiner Abreise hatte ich in Deutschland noch eine neue, bessere Kreditkarte beantragt. Aber leider kam diese nicht rechtzeitig an. Meine Eltern sendeten diese dann nach Kanada und ich erreichte Montreal genau 2 Tage nachdem meine bisherige Karte gesperrt wurde.

3 Nächte Wildcampen

Die Nächte vom Samstag bis Montag habe ich mein Zelt dort aufgeschlagen, wo ich gerade war. Am Samstagabend in Happy Valley – Goose Bay auf einem verlassenen Campingplatz. Nur war dieser an diesem Wochenende nicht wirklich verlassen. Mit dem bevorstehenden Canada Day zog es viele Menschen für das lange Wochenende raus in die Natur zum Campen. Und der Platz war offenbar auch einigen Kanadiern bekannt. So hatte ich neben den Mücken noch etwas bessere Gesellschaft und wurde auf ein paar Bier eingeladen.

Am Sonntag habe ich eine sehr lange Etappe gemacht und bin über 870km bis Relais Gabriel gefahren. Mein Plan war im viel weiter nördlich gelegenen Labrador City einen Platz zu finden, aber das ist mir nicht so recht gelungen. Und mit dem Wechsel in die Provinz Quebec hatte ich wieder eine Stunde Zeit gewonnen und fuhr einfach weiter. Es ging auf einer Dreckpiste durch ein riesiges Bergbaugebiet. Bei Einbruch der Dunkelheit erreichte ich die Tankstelle bei Relais Gabriel und blieb dort zusammen mit ein paar LKW Fahrern für die Nacht. Nicht schön, aber besser und sicherer als direkt im Wald zu liegen.

Montag – 01. Juli – Canada Day. Ein Tag der eigentlich groß gefeiert wird. Leider aber nicht in der Provinz Quebec. Ich erreichte das Ende des Labrador Highway in Baie Comeau gegen Mittag und wollte dort eigentlich bleiben. Aber da in dieser kleinen Stadt wirklich gar keine Feier stattfand, beschloss ich doch noch 160km weiter in Richtung Westen zu fahren und erreichte am frühen Abend den Ort Essipit. Hier ist als Attraktion ein Dorf der Innuit zu sehen und es gab auch eine kleine Feier für den heutigen Nationalfeiertag. Mein Zeltplatz bestand allerdings wieder nur aus einem kleinen Rastplatz in der Nähe des Fährhafens. Und natürlich hatte ich auch hier Gesellschaft von einigen Mücken und Fliegen.

Zelten im Garten

Für den Dienstag hatte ich mir die kurze Strecke nach Quebec vorgenommen und wollte die Stadt etwas erkunden. Aber auch hier brauchte ich einen Platz für die Nacht. So probierte ich mein Glück auf einem kleinen Parkplatz mit Picknicktischen und frischem Trinkwasser. Nicht wirklich ideal gelegen, direkt an einer große Hauptstraße, aber dafür auch relativ nah am Zentrum. So stand ich dort ein paar Minuten und überlegte, ob ich diesen Platz nehmen oder doch einen richtigen Zeltplatz ansteuern sollte. Plötzlich sprach mich ein Mann an, Pierre, und nach den üblichen Fragen und kurzen Gesprächen bot er mir an, mein Zelt in seinem Garten aufzuschlagen. Somit hatte ich einen Platz für die nächsten zwei Nächte, eine Dusche und bekam zur Erkundung der Stadt auch noch ein Fahrrad ausgeliehen.

Am Mittwochvormittag gab es aber zunächst ein paar Dinge zu erledigen. Ich wollte endlich mal Wäsche waschen und brauchte einen neuen Reiseadapter, da ich meinen bei Gerald in der Steckdose vergessen hatte. Am Nachmittag bin ich dann in die Stadt geradelt und es fühlte sich schön an, mal einen Tag nicht auf dem Motorrad zu sitzen sondern sich selbst zu bewegen. Quebec ist eine sehr schöne Stadt und ich war genau am richtigen Tag dort. Der 3. Juli ist der Geburtstag der Stadt und es wird überall ein bisschen gefeiert. Mir wurde die Feier bei der Arena empfohlen und es war einfach ein großartiger Abend mit gratis Essen und Eis, günstigem Bier und einem großen Feuerwerk als Abschluss. Genau das richtige nach einem Monat Motorradreise.

Übernachten auf einem Boot

Der Donnerstag wurde ein Tag, der mich am Ende kurz an den Rand der Verzweiflung brachte und dann eine phänomenale Wendung einleitete. Ich startete morgens in Quebec und schaffte es noch vor dem großen Berufsverkehr aus der Stadt zu kommen. Mein Plan war bis zum Mittag zu fahren und dann eine längere Pause zu machen. Meine neue Kreditkarte konnte ich erst am Abend abholen und somit hatte ich ausreichend Zeit für eine kleine Runde über das Land. Die KTM fuhr wie immer gut und ich genoß den kühlenden Fahrtwind.

Gegen Mittag erreichte ich eine Stadt und geriet in den stockenden Stadtverkehr. Bei Temperaturen von über 30 Grad ist dies mit dem heißen Motorrad nicht wirklich ein Vergnügen. Und dazu stellten sich plötzlich auch noch Probleme bei der Gasannahme ein. Die KTM fuhr sich, als wäre der Tank leer und ich musste immer wieder anhalten und das Motorrad neu starten. Auch eine längere Pause brachte keine Besserung. Ich kämpfte mich dann die letzen 30 Kilometer bis ins Zentrum von Montreal und holte meine Post aus Deutschland ab.

Mein Plan war dann aus der Stadt zu fahren und irgendwo ein Fleckchen Wiese für das Zelt zu suchen. Doch bei der Fahrt über den Fluss schaffte ich es gerade noch bis zur Mitte der Brücke. Die KTM ging erneut aus und ich rollte bis zu einem Abzweig und hielt auf dem Seitenstreifen. Ich wollte warten bis der Verkehr nachgelassen und die Temperaturen gesunken sind. Und erneut wurde ich angesprochen. Dieses Mal von Charles, einem jungen Kanadier, der beim Militär arbeitet und einige nette Spielzeuge besitzt. Darunter auch ein Pickup und ein Boot. Er bot mir an die KTM auf den Pickup zu laden und eine Nacht bei ihm zu bleiben. Und so nahm der Abend eine Wendung, die ich nicht erwartet hatte. Kurz zuvor saß ich verzweifelt neben meiner KTM auf dem Bordstein, laß die Karte meiner Eltern und war den Tränen nahe. Und plötzlich ging es wieder weiter.

Eine unerwartete Wendung

Am Freitag nutzte ich die Zeit am Vormittag dazu eine Lösung für das Problem mit der KTM zu finden. Ich recherchierte im KTM Forum und fand als mögliche Ursache die Benzinpumpe oder die Kraftstofffilter, welche bei er Laufleistung mit Dreck zugesetzt sein könnten. Nun brauchte ich noch einen guten Platz um die Arbeiten durchführen zu können. Ich kontaktierte den nächstgelegenen KTM Händler, bei dem ich auch schon am Anfang meiner Reise war, aber leider wollte man mich nicht dort selbst arbeiten lassen. Mit Charles Hilfe fand sich ein anderer Händler, der mir vielleicht eine Ecke auf seinem Gelände gegeben hätte.

Aber es kam noch ganz anders und viel besser. Auf dem Weg zu diesem Händler lag die Zentrale von KTM Canada und wir probierten es einfach dort nach einem Platz zum Arbeiten zu fragen. Auch hier war die Antwort zunächst nicht vielversprechend. Die Dame am anderen Ende der Gegensprechanlage sagte uns, dass dies nur eine Geschäftsstelle und ein Showroom für Händler ist. Zum Glück kam ein Kollege aus dem Team der Mechaniker vorbei und sah uns vor der großen Glastür stehen. Ich erklärte ihm was los ist und was ich so vor habe. Und nach kurzer Zeit fuhren wir die KTM auf Charles Pickup rückwärts vor eines der Tore im Hinterhof.

Das Tor ging auf und die drei Mechaniker stellten sich kurz vor und begannen sofort die KTM abzuladen und in die Werkstatt zu rollen. Nach ein paar Tests mit der Benzinpumpe war klar, dass diese nicht ausreichend Sprit in die Einspritzanlage fördert. Wahrscheinlich wäre ein Tausch der Filter ausreichend gewesen, aber die Jungs wollten auf Nummer sicher gehen und tauschten die komplette Einheit. Ich sah schon einen weiteren großen Teil des Reisebudget den Besitzer wechseln. Doch statt eines Bezahlterminals für meine neue Kreditkarte bekam ich am Ende noch eine paar Ersatzteile für die Benzinpumpe. Ein großes Dankeschön an KTM Canada für diese Hilfe! Ich bekam die Ersatzteile und den Einbau kostenfrei und sofort erledigt.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit …

.. das einem so etwas passiert. “What are the odds?” höre ich Charles bei KTM Canada immer wieder sagen. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, das genau solche Begegnungen immer wieder stattfinden? Wenn wir nur wenige Minuten früher oder später dort geklingelt hätten, wären wir wieder weitergefahren. Wenn Charles nicht an dem Abend in Montreal mit dem Fahrrad unterwegs gewesen wäre, würde ich vielleicht irgendwo am Straßenrand im Zelt sitzen.

Angesichts dieser Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft bin ich einfach nur sprachlos und unglaublich dankbar. Ich frage mich zwischendurch immer wieder, wie lange ich wohl auf der Brücke gewartet hätte, wenn ich in Deutschland gewesen wäre. Mal davon abgesehen, dass die Wahrscheinlichkeit bei uns geringer ist jemanden mit einem Pickup zu begegnen, wäre ich am Ende wohl eher bei einem Abschleppdienst gelandet. Hier in Kanada war es ein Boot im Yachthafen.

Marc, einer der KTM Mechaniker, lud mich dann noch zu sich nach Hause ein. Er wohnt mit seiner Freundin und ihrer gemeinsamen Tochter in einem sehr schön renovierten Haus bei Montreal. Wir saßen den Freitagabend noch auf der Terrasse und erzählten über Reisen und Motorräder. Meine Reise kann nun weiter gehen. Aber für die nächsten zwei Tage bleibe ich noch hier in der Nähe. Denn am Montag schaue ich noch einmal bei KTM vorbei und mache einen Ölwechsel und noch ein paar Bilder mit dem Team.

4 Gedanken zu „Wunder gibt es immer wieder“

  1. Hallo Georg,
    Tolle Geschichte, toller Bericht !
    Alle die es lesen werden sich mit dir freuen!
    So darf es weiter gehen, ich wünsche es dir von Herzen
    Schöne Grüße
    Michl

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  2. Quebec sieht echt toll aus, da bekommt man gleich Fernweh!
    Klingt als würde jemand höheres seine Hand über dir halten! Sehr cool. Sind gespannt auf deine nächsten Erlebnisse 🤗

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  3. Eine gute Frage: Was wäre in Deutschland gewesen? Aber mit deinen Tageskilometern würdest du wahrscheinlich schon jede Nebenstraße hier kennen.

    Die Geschichten sind super. Es ist komisch, aber uns ging es oft genauso. In Deutschland musst du da offensiver rangehen. Dann kannst du auch hier bei Leuten im Garten zelten. Wir wurden dann auch spontan zum Grillabend eingeladen und haben uns noch zwei Jahre Postkarten geschrieben.

    Die Jungs in der Zentrale freuen sich wahrscheinlich mal ein echtes Motorrad zu Schrauben. Die haben doch bestimmt sonst nur neue Maschinen vor sich.

    Greetings to all the new Georg followers from all other the World! 🙂

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